VERLIEBT wie am ersten Tag
Sie haben viel erlebt, sind beide fit wie ein Turnschuh und schon seit 60 Jahren verheiratet. Grund genug, dass ich Marianne (83) und Stefan Siebert (86) aus Linz zum Kaffeehausplausch ins Café Traxlmayr einladen.
Der ehemalige Bundesbahner und die frühere Nachtschwester von den Liseln erzählen ihre Lebensgeschichte und offenbaren dabei auch das Geheimnis einer guten Ehe.
Walter Witzany: Ich freue mich, dass wir drei a bissl miteinander reden können. Danke, dass ihr gekommen seid.
Stefan Siebert: Uns freuts auch, wir haben ja früher immer gerne den Walter Witzany im Radio gehört. Und jetzt lesen wir im CITY! Magazin auch immer gerne diese Interviews.
Stefan, ihr seid 60 Jahre verheiratet, du bist 86, Marianne ist 83 und ihr schaut topfit aus. Hat das was mit Sport zu tun?
Stefan: Ja, seit meiner Jugend. Wenn irgendwo ein Wettbewerb stattgefunden hat, bin ich mit meinen drei besten Freunden schon mitgelaufen. Wir haben auch Speer geworfen, mit Stecken halt… (lacht). Irgendwas haben wir immer gemacht.
Du hast es ja sogar mal zum Meister gebracht?
Stefan: Ich war mit 15 Jahren österreichischer Jugendmeister im Gewichtheben.
Wie viel hast du gehoben?
Stefan: 60 kg gedrückt, 70 kg gerissen und 90 kg gestoßen.
Mit so viel Kraft in den Armen hast Du deine Frau Marianne wahrscheinlich immer auf Händen getragen, oder?
Stefan: Ja, natürlich. Nur heute geht`s nicht mehr (lacht).
War er ein Braver, Marianne?
Marianne Siebert: Ja, er war der beste Mann, den man sich als Frau nur wünschen kann. In jeder Hinsicht.
Hast Du Dich auch sportlich betätigt?
Marianne: Nein, nicht wirklich. Ich bin im Mühlviertel aufgewachsen, gerne bergab und bergauf gelaufen, ganz viel gegangen. Aber in meiner Familie war eigentlich niemand so richtig sportlich. Dafür gehen wir beide seit 10 Jahren zweimal die Woche ins Fitnessstudio trainieren. Wir lernten dort auch liebe Menschen kennen. Unser Trainer Muradin von John Harris ist eine Seele von Mensch, kümmert sich immer um uns.
Ihr seid 60 Jahre verheiratet. Wie habt ihr euch kennengelernt?
Marianne: Klingt seltsam, aber im Krankenhaus.
Stefan: Meine Mutter war 1961 bei den Barmherzigen Schwestern in Linz. Wir befürchteten damals das Schlimmste, aber meine Mutter hat gekämpft und überlebt. Und in dieser Zeit hab ich eine liebe Schwesternschülerin, die Marianne, kennengelernt. Und daraus hat sich die Liebe meines Lebens entwickelt.
Wie hast Du sie kennengelernt?
Stefan: Ja, ich hab sie einfach angesprochen (lacht).
Und was war deine Reaktion, Marianne?
Marianne: Ja, dass ich halt ja gesagt habe. (alle lachen). Aber nicht gleich zum Heiraten… (zwinkert).
Stefan: Einige Jahre habe ich noch warten müssen, 1964 haben wir dann aber geheiratet.
Stefan, du warst ja beruflich bei der Bundesbahn?
Stefan: Zuerst war ich in der Hauptwerkstätte in Linz, im Schlosserberuf, dann hab ich die Lokführerlaufbahn gemacht. Dann bin ich ab 1959 als Heizer gefahren, 9 Monate lang, musste nach einer Sportverletzung damit aber aufhören. Dann habe ich Aufsichtsprüfungen gemacht und bin in die ÖBB-Verwaltung gekommen.
Geboren bist Du aber – im Gegensatz zu Marianne – nicht in Oberösterreich sondern in Pressburg, dem heutigen Bratislava. Und die Zeiten waren damals im Zweiten Weltkrieg alles andere als leicht…
Stefan: Ja, das stimmt. Aber ich will nicht jammern. Das Enttäuschende oder der Kummer von einst verblasst ja mit der Zeit. Die guten Erinnerungen aber bleiben bestehen. Wir mussten ja 1945 von Pressburg flüchten, nur mit 2 Koffern in der Hand. Und so sind wir dann über Tschechien, Budweis, Krumau, Aigen-Schlägl und Ried schließlich erschöpft aber gesund nach Linz gekommen. Da lebten wir zunächst noch im Hamberger-Lager beim Bulgari-
platz. Unvorstellbar heute, damals aber gab es dort rundum noch ganz viele Felder. Und was mich heute noch freut: Meine Mutter muss mich gut beschützt und umsorgt haben, sodass ich sogar diese Zeit als schöne Kindheit empfunden habe.
Warst du wieder einmal in Deiner Geburtsstadt?
Stefan: Ja, 1961. Da war alles so wie ich es noch in Erinnerung hatte. Da waren um Pressburg die Weinberge und kleine Häuschen. Da sind wir zu einem Heurigen gegangen. Leider bin ich nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs in den neunziger Jahren wieder hingekommen und habe Pressburg nicht mehr erkannt, weil sie es im kommunistischen Regime so verschandelt haben. Sie haben durch die Altstadt – direkt neben dem Dom – eine stark befahrene Straße gebaut. Fürchterlich. Aber ich bin heute – nachdem ich schon seit 80 Jahren in Linz lebe – sowieso ein richtiger Linzer. Es tut mir nicht mehr weh. Mich bindet nichts mehr an Pressburg.
Marianne, wie hast du die Zeit nach dem Krieg erlebt?
Marianne: Ich bin 1941 im Mühlviertel geboren. Ich habe meine Kindheit auch nicht als negativ erlebt, weil ich ja auch nichts anderes gewohnt war. Sogar die Russen waren mir dann vertraut. Ich war zwar noch ein kleines Kind, bin mit denen aber gut zurechtgekommen. Die Soldaten mochten mich. Meine ältere Schwester aber hat die Angst unserer Mama immer gespürt. Sie war deshalb wohl manchmal abweisend, sie haben die Russen deshalb nicht so gemocht. Aber wie gesagt, wir hatten am Land auch in diesen schwierigen Jahren keine gröberen Probleme.
Ihr seid schon 60 Jahre verheiratet. Ihr habt also bereits die „Diamantene Hochzeit“ gefeiert. Wie habt ihr das geschafft?
Marianne: Man darf sich nicht immer gleich trennen. Ich bin von meiner Familie her auch so geprägt worden. Wir haben halt die Krisen gemeinsam überstanden, haben in dieser Zeit auch viel gelernt im Umgang miteinander. Und wir haben auch beide immer an unserer Beziehung gearbeitet. Von nichts kommt nichts. Wir haben immer alles korrekt ausgeredet, sind nie zerstritten zu Bett gegangen. Und ich habe – wohl genauso wie der Stefan – nicht immer alles gleich bös nehmen müssen, und ja, manchmal hab ich auch meinen Mund gehalten. Aber ich wusste immer für wen ich das mache. Das war es wert. Bis heute.
Stefan, mehr Lob von seiner Frau geht ja gar nicht, oder?
Stefan: Ja, das stimmt und freut mich sehr. Ich muss aber auch gestehen, dass ich in Marianne immer noch so verliebt bin, wie vor über 60 Jahren. Ich wundere mich selbst auch, wie ist das möglich? Weil man ja immer wieder hört und liest, ja, dass sich mit der Zeit was verändert und man dann halt anders, nicht mehr so intensiv liebt. Ich aber kann nur sagen, dass ich Marianne wie am ersten Tag liebe. Ich schau sie noch immer gern an, und mir gefällt jede Sekunde was ich sehe und an ihr habe. Sie ist die Liebe meines Lebens.
Marianne ist ganz gerührt, liebe Leser. Und aus so einer tollen Ehe sind auch tolle Kinder entsprungen?
Stefan: Ja, und zwar ganz ohne Druck (lacht). Wir haben zwei Söhne, eine Tochter und mittlerweile schon vier Enkelkinder.
Welche Hobbys teilt ihr noch?
Stefan: An erster Stelle die Musik. Die verbindet uns sehr. Meine Frau spielt Klavier. Ich selbst war im Chor.
Marianne: Theater und Kunstgeschichte sind uns auch wichtig. Wir besuchen nicht nur regelmäßig das Fitnessstudio sondern auch Kurse in der Volkshochschule. Das Schöne, ist, dass wir schon so alt sind und trotzdem noch so vieles gemeinsam genießen können.
Das wünschen wir euch auch weiterhin. Gebt uns aber noch einen Beziehungstipp?
Stefan: Ratschläge sind schwierig. Vor allem bei großen Sorgen. Aber ein Vortragender in der Volkshochschule hat uns einmal erklärt, dass viele ja meist schon an Mini-Problemen scheitern. Denn auch Kleinigkeiten können auf Dauer belasten. Wir zwei lachen darüber nur, weil wir alles in Ruhe ausreden, und auch nicht immer alles gleich so ernst oder gar böse nehmen. Wir lieben uns ja, und dann schafft man gemeinsam auch alles. Das ist mein Tipp.
Marianne: Manchmal ist es wichtig, dass man im richtigen Moment auch mal Ruhe gibt. Keiner will sich ja gern was sagen lassen. Aber mit etwas Abstand und Ruhe kann man alles ausreden und dann kommt man auch gemeinsam gut weiter.
Stefan: Ich hab eine sehr kluge Frau.
Einen besseren Schlusssatz hätten wir nicht finden können. Danke für das Gespräch.
Fotos: © T.Duschlbauer