Freiwillige führen einen gut sortierten Ökolebensmittel-Laden in Steyrdorf.
Das Problem kennt man vielerorts: Auch im Steyrer Stadtteil Steyrdorf sperrte das letzte Lebensmittelgeschäft vor 10 Jahren zu. Zu Fuß war der nächste entsprechende Laden 10 Minuten entfernt, wobei es auch eine Busverbindung gab.
Genossenschaft. Vor einem Jahr, im Juni 2023, öffnete der Steyrdorfladen seine Türen. Er wird von der Genossenschaft „Ums Egg“ betrieben. Das Geschäftskonzept ist innovativ: Wer beitreten will, entrichtet einmalig 300 Euro. Diese Gebühr wird beim Ausstieg rückerstattet. Die Karte gewährt den ca. 180 Mitgliedern auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten Zutritt zum Geschäft. Abgerechnet wird am Anfang des nächsten Monats über das SEPA-Lastschriftverfahren. Es gibt dazu regelmäßige Öffnungszeiten, zu denen auch Kunden ohne Karte ihre Einkäufe tätigen können: an Wochentagen inkl. Samstag von 8 bis 12, zusätzlich am Montag und Freitag von 16.30 bis 18.30 Uhr.
Unbezahlt. Das Erstaunliche: Die Leute hinter der Theke sind allesamt Freiwillige. Allmonatlich opfern sie zwischen 2 und 20 Stunden ihrer Freizeit, wobei sie nicht nur für den Verkauf, sondern auch für das Verräumen der Lieferungen zuständig sind. Zum „harten Kern“ der 20 bis 30 Genossenschaftler gehören auch Personen, die voll beschäftigt sind. Die Sprecherin des Steyrdorfladens, Antonia Forster, ist zum Beispiel Architektin und unterrichtet an der Kunstuniversität in Linz. Zwei Teilzeit-Angestellte sind für die Bestellungen verantwortlich und sorgen für geordnete Abläufe.
Regionalität. Die Hälfte der Waren liefern regionale Bauern und Kleinproduzenten. Sie arbeiten ökologisch, auch wenn sie sich nicht alle als „Bio“ zertifizieren lassen. Eier, Joghurt, Nudeln, Obst, Gemüse und sogar Lebkuchen kommen also aus der näheren Umgebung. Allerdings erfordert es einen enormen Aufwand, mit den vielen kleinen Lieferanten zu verhandeln. Deswegen bezieht der Laden die restlichen Produkte von einem größeren Bio-Zulieferer.
Vollsortiment. Der Steyrdorfladen hat alles, von Obst und Gemüse bis Zahnpasta und Klopapier im Angebot. So können Einwohner von Steyrdorf ihren täglichen Bedarf mühelos decken. Allerdings gibt es gewisse Lücken. „Es ist schwieriger, als wir gedacht haben, alle Obst- und Gemüsesorten immer frisch zu erhalten“, gibt Forster zu. Andererseits findet man im Laden auch Spezialitäten, die anderswo nur selten zu ergattern sind und das Herz des Gourmets höherschlagen lassen: frische Bio-Schafkäse-Erzeugnisse, asiatische Gerichte wie Thai Currys im Glas und viele Gewürze. „Im Vergleich mit Bio-Läden haben wir gute Preise“, meint Antonia. Es ist ihr allerdings auch wichtig, die Produzenten fair zu bezahlen. Die Kunden freuen sich also über frische regionale Waren in Bio-Qualität zu angemessenen Preisen, zudem auch über einiges an Delikatessen.
Verwaiste Orte. Nicht nur Dörfer und entlegene Ortsteile sehen sich mit einem Mangel an Nahversorgern konfrontiert. Sogar im historischen Stadtzentrum von Steyr hat vor kurzem der letzte Supermarkt zugesperrt. Die gleiche Tendenz ist in den Zentren anderer mittelgroßer Städte zu beobachten. Seit fünf Jahren betreibt die Genossenschaft „Ums Egg“ auch einen Laden in Losenstein, und in der Steiermark führt sie zwei Geschäfte. Das Modell hat schon einige Nachahmer gefunden. Glücklicherweise gibt es überall selbstlose Menschen, die bereit sind, in die Bresche zu springen. Sie sind die Helden der Nahversorgung.
Fotos: © Sokoloff