Zum Maestro geboren.
Dirigent Ernst Theis über die Kraft der Musik, Highlights und Glück.
Der gebürtige Sierninger Ernst Theis ist einer der renommiertesten Dirigenten Österreichs und seit 2017 Intendant des Festivals KLANGBADHALL. Im exklusiven CITY!-Talk plauderte der sympathische Künstler mit CITY!-Redakteurin Hilde Weber jedoch nicht nur über Kultur.
CITY!: Vom 12. Juni bis 5. Juli 2020 steht im Rahmen des Festivals KLANGBADHALL die Operette „Der Vogelhändler“ auf dem Programm. Worauf darf sich das Publikum denn freuen?
Theis: Auf einen höchst unterhaltsamen Operetten- Abend. Wir haben bereits im Vorjahr mit der „Fledermaus“ einen komödiantischen Präsentationsstil entwickelt, bei dem das schauspielerische Element gleich wichtig ist wie das musikalische. Dieses Zusammenspiel von wirklicher Komödie und guter Musik werden wir beibehalten und damit den Bad Haller „Vogelhändler“ zu einem besonderen Erlebnis machen.
Gibt´s prominente Namen im Ensemble?
Wir haben mit Dany Sigel eine Grande Dame des österreichischen Fernsehens engagiert, die mit ihrem Charme und ihrer schauspielerischen Leistung zu überzeugen weiß. Weiters mit Christoph Fälbl einen der bekanntesten Kabarettisten Österreichs – wer ihn kennt, weiß wie lustig und überzeugend er auf der Bühne agiert. Die Regie macht wieder Gerald Pichowetz, mit dem ich persönlich sehr gut kann, zumal wir, was das Endergebnis der Produktion anbelangt, gleiche Vorstellungen und Ziele haben.
KLANGBADHALL steht aber nicht nur für Operette.
Besonders am Herzen liegt mir die Konzertreihe NACHHALL. Alles, was heute an Pop, Jazz und Unterhaltungsmusik da ist, hat seinen Ursprung in der Operette. Ebenso wie satirische, ja manchmal auch politische Elemente, die ursprünglich Aspekte der Operette waren – diese Doppelbödigkeit, die Menschen zu unterhalten und ihnen gleichzeitig, so zwischen den Zeilen, knallharte Wahrheiten zu präsentieren, wie es in der Welt wirklich ausschaut. NACHHALL präsentiert populärorientierte Musik unterschiedlichster Art, teilweise auch durch Volksmusik oder Jazz inspiriert, die aber in letzter Konsequenz aus dem großen Reservoir der Operette schöpft. Was das NACHHALL-Programm anbelangt, hat Klaus Wieser, der „Erfinder“ und Organisator dieser Konzertreihe, eine gute Nase und einen speziellen Geschmack, der auch meinem sehr entspricht.
Ist es für Sie als gebürtigen Sierninger ein besonderer Reiz, hier in der Region zu arbeiten?
Natürlich, zumal mich ja mein beruflicher Werdegang ziemlich weit von Sierning weg gebracht hat. Als die Intendanz in Bad Hall frei geworden ist, war einer der Beweggründe für meine Bewerbung, dass ich mit meinem Wissen und meinem Können Bad Hall helfen könnte. Der zweite Aspekt war natürlich, dass meine Eltern, zu denen ich immer ein inniges Verhältnis hatte, in Sierning leben. Sie mussten mich aufgrund meiner Auslandsengagements oft entbehren, weil ich es einfach nicht geschafft habe, sie mehr als 2-3mal im Jahr zu besuchen. Der schöne Nebeneffekt meiner Intendanz in Bad Hall ist nun, dass ich mehr Zeit für meine Eltern habe. Neben dieser emotionalen Komponente macht mir meine Arbeit hier aber sehr viel Freude, weil sie mir die Möglichkeit bietet, meine Fähigkeiten hier in der Region, aus der ich stamme, einzubringen und – hoffentlich – etwas für die Zukunft zu hinterlassen.
Wie wurden Sie als kleiner Bub aus Sierning zu einem der renommiertesten Dirigenten Österreichs?
Ich hab eine ziemlich abgefahrene Biographie und meinen Berufsweg genau zu schildern, würde den Umfang Ihres Magazins sprengen. Ich versuch´s halbwegs mit einer Kurzfassung. Ich war zweifellos musikalisch begabt, habe als Autodidakt Trompete spielen gelernt und war in der Sierninger Blasmusik aktiv. Meine Mutter, Heiltherapeutin in Bad Hall, hatte einen Posaunisten als Patienten, der ihr nahegelegt hat, mich Musik studieren zu lassen, und meine Mutter konnte schließlich meinen Vater überzeugen. Bei der Aufnahmsprüfung in Wien habe ich, mangels eines klassischen Repertoires, „Wunderland bei Nacht“ – also Tanzmusik – vorgespielt. Sie haben mich trotzdem genommen. Ich habe mich zuerst als Orchestermusiker für Trompete und Schlagzeug ausbilden lassen, zum Dirigieren bin ich später über meinen Mentor Otmar Suitner gekommen, der mein Talent erkannt hat. Mein Debut als Dirigent feierte ich am 5. Jänner 1989 mit den Österreichischen Kammersymphonikern im Reichratssaal in Lustenau. Ein entscheidendes Jahr war für mich 1996, als ich mit einem Stipendium am renommierten Dirigentenwettbewerb in Darmstadt teilnehmen durfte und schließlich als Sieger hervorgegangen bin.
Nennen Sie uns ein paar Highlights Ihrer Karriere.
Ein Höhepunkt waren zweifellos die St. Petersburger Philharmoniker, weiters die Staatsoperette Dresden, die NDR Radio-Philharmonie, das japanische Sendai Philharmonic Orchestra, das Osaka Symphony Orchestra, das chinesische ShenZhen Symphonieorchester, die Staatsoper Ankara, die Bochumer Symphoniker, die Berliner Philharmoniker und das Sinfonieorchester Basel.
Was verbirgt sich hinter „Total Medial“?
Bei diesem dritten Standbein von KLANGBADHALL geht’s um ein Projekt im Bereich Medienmusik. Wir konnten ja bereits Ende 2018 mit dem „Sprengbagger 1010“ einen beachtlichen Erfolg erzielen – einem der berühmtesten Stummfilme der 1920er Jahre mit live gespielter Orchester-Filmmusik. Unser nächstes Projekt in dieser Reise ist es, den weltbekannten Science-Fiction-Film „Metropolis“ von Fritz Lang mit Live-Musik zu präsentieren. Daran arbeiten wir.
Gibt’s in Sachen Operette schon Pläne für 2021?
Ich möchte vor allem die Zusammenarbeit mit Gerald Pichowetz fortsetzen. Es gilt, das Festival weiter zu entwickeln und dazu gehört auch, Dinge, die in der Vergangenheit nicht so optimal gelaufen sind, kritisch zu betrachten und – gemeinsam mit der Stadt Bad Hall und den dort Verantwortlichen – Lösungen zu finden und entsprechende Strukturen zu schaffen. Welches Stück wir 2021 auf die Bühne bringen, steht konkret noch nicht fest. Wir sind mitten in einem kreativen Prozess, dessen Ziel es ist, ein Werk zu finden, das in jeder Hinsicht optimal zu Bad Hall, diesem schönen Stadttheater und dem Festival KLANGBADHALL passt.
Hatten Sie jemals einen anderen Berufswunsch?
Nein, nie. Meine Mutter hat mir erzählt, dass ich schon als kleiner Bub dirigierend hinter der Bad Haller Kurmusik hermarschiert oder vor dem Radio gestanden bin. Insofern war mein Weg offensichtlich vorprogrammiert.
Mit wem würden Sie gerne einmal einen Abend verbringen, und warum?
Mit Johann Strauß Vater. Er hat für mich eine der erstaunlichsten Musikerkarrieren, die es überhaupt gibt. Er hat die komplette Musikwelt aufgemischt, hat eine übernationale Musik entwickelt, auf die die Menschen weltweit abgefahren sind. Man muss sich das vorstellen: die Strauß-Kapelle hat 850 Städte auf der ganzen Welt bereist. Seine Musik ist bis heute ein riesiger Kulturwert für Österreich und was er damit völkerverbindend geschafft hat, bringt kein Politiker oder Wirtschaftstreibender zusammen. Er muss ein unglaublich cooler Typ gewesen sein.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Als Künstler wünsche ich mir generell ein Bewusstsein dafür, dass es sich bei unserer Tätigkeit um Kulturarbeit für die Menschen und nicht um das Erreichen von Karrierezielen handelt. Für mich persönlich wünsche ich mir beruflich, dass meine Arbeit entsprechend eingeordnet und bewertet wird und privat, dass ich noch viel mit meiner Familie erleben darf. Dieser Ausgleich von Lebensnormalität und Kunst gibt mir die Energie, immer wieder Neues auszuprobieren.
Was macht Sie glücklich?
Mein berufliches Glück ist, dass ich machen darf, was ich mir immer gewünscht habe, und das auf hohem Niveau schon so viele Jahre lang. Privat macht mich glücklich, dass ich eine große Familie und eine wunderbare Frau habe; sie ist meine Kraftquelle.
PERSONALAKTE
Ernst Theis
Geboren: 31. Juli 1961
Sternzeichen: Lowe
Werdegang: Studium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Wien
Liebesstatus: In 2. Ehe verheiratet mit Eveline, Vater vor 4 Kindern, 2facher (demnächst 3facher) Opa; er lebt in Wien.
Infos: www.ernsttheis.com
Fotos: © Theis/Künstlerarchiv, Redaktion