Ein Rendezvous mit der Realität

Zeitungsleser staunten nicht schlecht, stand da doch in einem STANDARDKommentar* von Gerald John zu lesen:

„Die vielen neu angekommenen Flüchtlingskinder landen in Schulen, die bereits überfordert sind. Soll Integration gelingen, muss der Zustrom gedrosselt werden“. Ja, selbst in der „ZIB 2“ wurde schon im TV über Wiens Container-Schuldörfer berichtet, weil (was für eine Überraschung) immer mehr Asylberechtigte nun doch
auch immer mehr schulpflichtige Familiennachzügler ins Land bringen.

Jetzt wird’s ungemütlich. Das was sich Landsleute schon seit Jahren meist nur hinter vorgehaltener Hand zu sagen trauten – schließlich will niemand als „Rassist” denunziert werden – scheint sich nun also auch in der Wahrnehmung so mancher Linker Sozialromantiker aufgeklart zu haben: „So schaffen wir das nicht“. Übrigens gilt das auch für Länder wie Deutschland und Schweden, die ein ähnlich gutes Sozialsystem haben, das Flüchtlinge eben wie ein Magnet anzieht.

Rettet die Retter. Wir sitzen alle im selben Boot, müssen deshalb auch alle EU-Kräfte mobilisieren und so für eine Stabilisierung des Asylsystems sorgen.Andernfalls, so schreibt John, „braucht Österreich einen Plan B. So schmerzvoll das aus humanitärer Sicht auch ist: Zwangsläufig darf diese Debatte Einschränkungen des Asylrechts nicht ausklammern“. Retten wir also unser Sozial- und Schulsystem – ansonsten kollabiert es. Das dürfen wir – auch im
Interesse jener, die schon Zuflucht bei uns gefunden haben – nicht zulassen.

*Nachzulesen im Standard

GERALD JOHN

Bei der Integration stoßen die Schulen an die Grenze des Möglichen

Die vielen neu angekommenen Flüchtlingskinder landen in Schulen, die bereits überfordert sind. Soll Integration gelingen, muss der Zustrom gedrosselt werden
 
Es ist eine Flüchtlingswelle im Kleinen: Weil Menschen mit Asylstatuts ihre Familien nachholen, ziehen derzeit jeden Monat rund 350 Kinder neu nach Wien – und brauchen Wohnraum, Klassenplätze, Lehrer. Kann die Stadt das schaffen? Eine optimistische Antwort fällt zunehmend schwer.
 
Denn die Neuankömmlinge landen in Schulen, die schon jetzt vielfach mit der Integration überfordert sind. Die Ergebnisse der Pisa-Tests sprechen Bände. Obwohl mehrheitlich in Österreich geboren, fallen Migrantenkids bei den Leistungen stark ab. Letztlich endet fast jeder und jede dritte in der Kategorie der frühen Bildungsabbrecher, was von Arbeitslosigkeit bis Armut eine schwere Hypothek für die Zukunft bedeutet. Die gesuchten Fachkräfte werden sich in diesem Pool eher selten finden lassen.
 
Und da reden wir noch gar nicht von kulturell bedingten Problemen, wie sie die Schulen ebenso bewältigen sollen – vom antimodernen Frauenbild bis zum islamisch befeuerten Extremismus. Viele Kinder und Familien seien leider nicht wirklich in der Mitte der Gesellschaft angekommen, hat der Lehrergewerkschafter Thomas Bulant, ein Sozialdemokrat, im STANDARD bilanziert.

Bittere Bestandsaufnahme

Die Schulen müssten eben endlich besser aufgestellt werden, heißt es in diesem Zusammenhang oft. Das ist ja auch richtig, doch vor überzogenen Erwartungen sei gewarnt. Österreich wird auf die Schnelle nicht eine Armada an zusätzlichen Lehrkräften hervorzaubern können, auch Reformen versprechen keine raschen Wunder. Alle Staaten, die eine ähnlich große Masse an Flüchtlingen aufgenommen haben, kämpfen mit vergleichbaren Schwierigkeiten. Schweden setzt auf die vielfach geforderte Ganztags- und Gesamtschule, erreicht aber dennoch keine besseren Ergebnisse.

Die bittere Bestandsaufnahme legt eine Schlussfolgerung nahe: Die Möglichkeiten des Bildungssystems, immer weiter Flüchtlingskinder aufzunehmen, sind an die Grenzen gestoßen. Soll die Integration halbwegs erfolgreich gelingen, muss der Staat den Zustrom an Asylberechtigten deutlich und dauerhaft drosseln.
 

Nicht um jeden Preis

Idealerweise gelingt dies über eine gesamteuropäische Lösung, wie sie die EU derzeit mit ihrem Asyl- und Migrationspakt versucht. Tatsächlich wäre es sinnvoll, Verfahren an den Außengrenzen abzuwickeln und Asylberechtigte in der Folge ausgewogen auf die Mitgliedsstaaten zu verteilen. Für den Fall, dass das Konzept scheitert, braucht Österreich aber einen Plan B. So schmerzvoll das aus humanitärer Sicht auch ist: Zwangsläufig darf diese Debatte Einschränkungen des Asylrechts nicht ausklammern.

Aber benötigt Österreich nicht Zuwanderung, weil die andernfalls schrumpfende Bevölkerung weder den Fachkräftebedarf der Wirtschaft befriedigen noch das Pensionssystem finanzieren könnte? Zweifellos – doch es macht einen Unterschied, wer genau kommt. Die Familien gezielt geworbener Arbeitsmigranten stellen die Integration vor geringere Herausforderungen als Flüchtlinge aus zerstörten, mitunter archaisch geprägten Regionen, die ein geringes Bildungsniveau, aber von schauderhaften Erlebnissen ausgelöste Traumata mitbringen. Manchen dieser Menschen soll Österreich auch weiterhin abseits ökonomischen Kalküls Schutz bieten – aber nicht um den Preis, die Funktionsfähigkeit der Schulen und anderer Institutionen aufs Spiel zu setzen. (Gerald John, 8.4.2024)
2024-06-29T19:13:46+02:00