Timna Brauer. Musik kann Brücken bauen.
Die Sängerin über ihr Faible für jüdische Musik und ihren Sommerauftritt in Linz
Sie ist eine der vielseitigsten und mit Sicherheit multikulturellsten Künstlerinnen Österreichs. In ihrem schmucken Haus in Wien gab Sängerin Timna Brauer City!-Redakteurin Hilde Weber sehr persönliche Einblicke in ihr Leben.
CITY!: Am 27. Juli treten Sie gemeinsam mit Ihrem langjährigen musikalischen Partner Elias Meiri im Rahmen von „Wort und Klang“ im Botanischen Garten in Linz auf.
Brauer: Und ich freue mich sehr darauf! Weil dieser Platz ein Garten Eden für mich ist. Dort herrscht eine ganz andere spirituelle Energie als in einem Konzertsaal oder einer Kirche. Diese Atmosphäre inspiriert mich sehr. Schließlich reagieren ja auch Pflanzen auf Musik.
CITY!: Worauf darf sich denn das Publikum freuen?
Brauer: Wir kommen mit unserem Programm „Yiddisch Tango“. Darin geht es jedoch nicht um Tango im herkömmlichen Sinn und auch nicht nur um jüdisch-zentraleuropäische Musik. Es werden Widerstandslieder gegen den Faschismus, sogenannte Ghettolieder, ebenso erklingen wie fröhliche Hochzeits- und Festlieder, die zum Mittanzen einladen.
CITY!: Und tanzt das Publikum dann auch mit?
Brauer: Manchmal schon. Wir haben hier in Österreich ein eindeutiges Nord-Süd-Gefälle. Wenn ich z.B. in Kärnten auftrete, dann gibt es öfter Standing Ovations bzw. sprechen mich danach Menschen aus dem Publikum, besonders Frauen, darauf an, dass sie gerne mitgetanzt hätten. Wenn am 25. Juli in Linz jemand tanzen sollte, wäre es für mich der schönste Beweis, dass ich mit meiner Musik die Herzen der Menschen erreichen konnte.
CITY!: In Ihrem breit gefächerten Reper- toire hat jüdische Musik einen besonderen Stellenwert. Warum?
Brauer: Ursprünglich fühlte ich mich ja zum Jazz hingezogen, habe sogar Schubert und Mozart verjazzt und viel freie Musik gemacht. Dass ich schließlich bei jüdischer Musik hängen geblieben bin, hat sicher mit meinen eigenen Wurzeln zu tun. Diese Musik mit ihrer Vielfalt, mit orientalischen und arabischen Einflüssen, hat aber auch eine große Tradition, die ich erhalten und weiter tragen möchte.
CITY!: Sie entstammen einer sehr künstle- rischen Familie. Wollten Sie jemals etwas Anderes werden als Sängerin?
Brauer: Nein, ich habe schon als Kind sehr gerne gesungen. Mit vier Jahren bekam ich meine erste Gitarre und schon damals habe ich mit einem alten Kassettenrekorder meine Lieder aufgenommen. Als ich dann den Film „The Sound of Music“ sah, war für mich klar: Ich werde einmal Sängerin.
CITY!: Sie haben Österreich ja 1986, vor unglaublichen 30 Jahren, in Norwegen beim Eurovision Song Contest vertreten. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Brauer: Ich wurde seinerzeit vom ORF nominiert, habe damals in Paris studiert und der Song Contest war der Anlass, warum ich nach Österreich zurück gekommen bin. Mein Lied „Die Zeit ist einsam“ war ein sehr schöner Song. 1986 war jedoch das Jahr der „Causa Waldheim“ und ich musste bei der Punktevergabe den Kopf hinhalten für etwas, für das ich gar nichts konnte. So hat es nur zur einer Platzierung im hinteren Teilnehmerfeld gereicht. Trotzdem habe ich den Song Contest total positiv in Erinnerung. Es ist auch eine Ehre und damit verbunden eine große Verantwortung, ein Land auf einer so großen Bühne zu repräsentieren. Für mich als junge Künstlerin war es ein Meilenstein in meiner Karriere.
CITY!: Sie sind in Wien geboren, haben eine israelische Mutter mit jemenitischen Wurzeln, sind in Österreich, Israel und Frank- reich aufgewachsen und heute musikalisch weltweit unterwegs. Wo ist Heimat für Sie?
Brauer: Dadurch, dass ich so viele Kulturen in mir habe, fühle ich mich in vielen Ländern sehr wohl. Daheim bin ich in Wien – und ich mag diese Stadt auch deshalb, weil es wenige „echte“ Wiener gibt, sondern die meisten von ihnen auch Vorfahren aus aller Herren Länder
haben; denken Sie nur mal an die Donau- monarchie. Dadurch leben hier sehr offene und tolerante Menschen.
CITY!: Wenn jemand so multikulturell ist wie Sie – wie sehen Sie diese Völker- wanderung, die derzeit aus dem Nahen Osten und Afrika auf Europa zukommt?
Brauer: Ich bin natürlich durch meine eigene Familiengeschichte geprägt. Mein Vater musste sich vor dem Nazi-Regime verstecken, musste untertauchen und hat sehr lange Zeit als U-Boot gelebt. Ich kann verstehen wie sich Menschen fühlen, die aus Kriegsgebieten kommen und bei uns Zuflucht suchen. Für mich ist die Flüchtlingskrise ein politisches Problem. Die EU hat viel zu spät reagiert und versagt nun kläglich bei der Bewältigung, und wir müssen die Rechnung bezahlen. Ich persönlich fürchte den Rechtsextremismus, nicht den Islam.
CITY!: Eines Ihrer Projekte heißt „Voices for Peace – Stimmen für den Frieden“. Kann Musik Brücken bauen?
Brauer: Wir haben bei „Voices for Peace“ mit Sängern und Musikern unterschiedlichster Herkunft – von orthodoxen Juden bis zu Palästinensern muslimischen und christlichen Glaubens – ein gemeinsames Projekt verwirklicht, das ein Umdenken in den Köpfen bewirkt hat. Wo viele Gegensätze vorhanden waren, sind Freundschaften entstanden. Gemeinsam hat man etwas Bleibendes erschaffen. Ja, insofern kann Musik Brücken bauen.
CITY!: Themenwechsel. Brauchen wir Töchter in der Bundeshymne?
Brauer: Solange Frauen in unserer Gesellschaft nicht gleich gestellt sind, solange eine Frau für dieselbe Arbeit weniger Lohn erhält als ein Mann, solange man für Frauen in unterschiedlichsten Funktionen Quoten braucht – ja. Insofern sind Töchter in der Hymne ein Signal. Ich persönlich nehme die Sache aber nicht so todernst, sondern eher humorvoll.
CITY!: Wie gut kennen Sie Linz?
Brauer: Ziemlich gut, denn ich gab mein erstes Konzert im Posthof und bin auch schon mehrmals im Brucknerhaus aufgetreten. Für mich ist Linz die musikalische Hauptstadt Österreichs, zumal hier auch ein sehr kultur- interessiertes und musikaffines Publikum vertreten ist.
CITY!: Gibt es etwas, das Sie in Ihrem Leben unbedingt noch machen möchten?
Brauer: Malen und töpfern, bildende Kunst. Das ist für mich introvertiertes Schaffen, Kunst für die Seele, im Gegensatz zur Bühne, wo ich ja aus mir herausgehen muss. Dadurch wäre es auch ein guter Ausgleich.
CITY!: Was macht Timna Brauer eigentlich ganz privat glücklich?
Brauer: Wenn die Sonne scheint. Ich gestehe, ich bin ein wetterabhängiger Mensch. Sonne, Wärme, blauer Himmel – das weckt Glücksgefühle, da fühle ich mich pudelwohl.
CITY!: Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für Ihre weiteren Projekte.