• GEDANKENAUSTAUSCH. Melanie Hofinger (32) im Gespräch mit Walter Witzany.

AUFGEBEN war keine Option 

Nach der Insolvenz startete Melanie Hofinger im Sozialbereich ganz neu durch.

Melanie Hofinger hat 2018 die Veritas Buch- und Kunsthandlung in der Linzer Harrachstraße vor der Schließung gerettet und ist dann mit dem Namen „Meritas“ neu durchgestartet.  So wurde sie von der Mitarbeiterin zur Chefin.

In Folge hat sie dann auch noch ein Geschäft im Donaupark Mauthausen, am Stadtplatz in Eferding und schließlich auch noch die Buchhandlung W. Neugebauer am Taubenmarkt übernommen. Ein expansiver Kurs, der leider nicht belohnt wurde. Vor einem Jahr schlitterte Hofingers Unternehmen in den Konkurs. Heute arbeitet die einstige Linzer Hoffnungsträgerin für den stationären Handel wieder als Angestellte. Beim Betriebsservice-Unternehmen NEBA berät sie Firmen rund um Themen wie Diversität und Inklusion.

Viele trauern Ihnen, liebe Melanie Hofinger, und Ihren Buchläden auch ein Jahr nach der Schließung immer noch nach. Was bedeutet Ihnen das?

Das berührt mich sehr. Es zeigt, dass die Buchhandlungen mehr waren als nur Geschäfte – sie waren Begegnungsorte. Diese Wertschätzung bedeutet mir unheimlich viel und bestätigt, dass wir etwas Besonderes geschaffen haben.

Vor rund einem Jahr, auch im Monat April, der den „Welttag des Buches“ ausweist, sind Sie in die Insolvenz geschlittert – wie geht es Ihnen heute privat?

Privat geht es mir wieder gut. Ich hatte und habe ein starkes soziales Umfeld, das mich durch diese schwere Zeit getragen hat. Natürlich ist nach einem Jahr nicht alles verarbeitet, aber ich bin dankbar für meinen Partner, die Familie und den Freundeskreis an meiner Seite.

Melanie Hofinger hat sich aber nicht unterkriegen lassen, sie hat sich auch keine Auszeit gegönnt – nein, sie ist neu durchgestartet. Was machen Sie heute?

Ich studiere berufsbegleitend Management für Public, Soziale und Non-Profit-Organisationen und arbeite als Unternehmensberaterin für Inklusion. Nach dem Konkurs wollte ich verstehen, was schieflief – heute helfe ich anderen dabei, Strukturen klarer, inklusiver und zukunftsfähiger zu gestalten.

Und was genau sind da Ihre Aufgaben?

Als Unternehmensberaterin arbeite ich nicht klientenzentriert, sondern unternehmenszentriert. Ich schaffe Klarheit, baue Verständnis auf und ebne den Boden, damit Inklusion nicht nur ein schöner Gedanke bleibt, sondern wirtschaftlich sinnvoll und menschlich wertvoll gelebt werden kann. Damit aus Absicht echte Veränderung wird.

Sie helfen damit also Firmen, Menschen mit Beeinträchtigungen einzustellen und mehr Vielfalt zu leben. Warum genau dieser Job? 

Bei mir stand der Mensch immer im Mittelpunkt – auch in meinem früheren Unternehmen, in dem rund ein Drittel der Mitarbeitenden einen inklusiven Hintergrund hatte. Ich habe erlebt, welchen echten Mehrwert Inklusion schafft – menschlich wie wirtschaftlich. Weil ich weiterhin einen Beitrag zur Gesellschaft leisten möchte, war für mich klar: Dieser Job ist genau der richtige für mich.

Warum ist das gerade jetzt so wichtig?

Gesellschaftlicher Zusammenhalt und sinnvolle Strukturen sind heute wichtiger denn je. Organisationen im sozialen Bereich leisten viel – sie brauchen kluge, reflektierte Köpfe mit Herz und Verstand.

Das heißt aber auch, dass Sie jetzt wieder als Angestellte tätig sind – wie war die Umstellung?

Für mich war es nie ein Problem, angestellt zu sein – ich war das auch vor meiner Selbstständigkeit. Ich habe stets eine sehr flache Hierarchie gelebt und auf Augenhöhe gearbeitet. Natürlich geben mir die neue Struktur und die damit verbundene Stabilität und Sicherheit aktuell viel – Werte, die für mich heute besonders wichtig geworden sind.

Reizt Sie die Selbstständigkeit eigentlich noch, denken Sie ja vielleicht insgeheim sogar wieder über einen neuen Buchladen nach – aber vielleicht wirklich nur mehr so einen wie Hugh Grant ihn z. B. im Film „Notting Hill“ hatte?

Man soll im Leben nie etwas ausschließen – aber aktuell ist die Selbstständigkeit für mich keine Option. Die romantische Vorstellung eines kleinen Buchladens wie im Film „Notting Hill“ ist zwar charmant, entspricht aber leider nicht der Realität. Die Liebe zu Büchern bleibt – aber ein Comeback in dieser Form ist für mich derzeit nicht vorstellbar.

Am 23. April ist wieder „Welttag des Buches“ – lesen Sie eigentlich privat auch gerne. Und wenn ja, was?

Ja, wie gesagt, ich liebe Bücher – und ich hatte tatsächlich noch nie so viel Zeit zum Lesen wie jetzt! Als Geschäftsführerin dachten viele, ich hätte alle Neuerscheinungen gelesen – aber die Zeit dafür fehlte hinten und vorne. Beschäftigte im Buchhandel haben heute leider kaum noch Raum fürs Lesen, obwohl es zum Beruf gehören sollte. Unser Slogan war: Zeit für ein Buch ist Zeit für dich – und das lebe ich jetzt wieder. Ich liebe tiefgründige Romane und bin ein großer Fan von Nick Hornby.

Können kleine, eigentümergeführte Buchläden heutzutage – wo man zudem doch alles günstig und ohne Laufwege, Parkgebühren etc.  im Internet bestellen kann – überhaupt noch ein Geschäft für einen Einzelkämpfer sein? Selbst Alex Stelzer, der in Rente geht, gibt seinen Buchladen am Linzer Hauptplatz ja nun bald an Morawa, eine Buchhandelskette, ab…

Ja, das können sie – denn ein Buch kostet überall gleich viel, dank der Buchpreisbindung. Der Preis ist also nicht das Entscheidende, sondern das Einkaufserlebnis, die Beratung und die Atmosphäre. Kleine Buchhandlungen bieten einen persönlichen Zugang zu Literatur und sind wichtige kulturelle Orte. Mit Leidenschaft und Konzept können sie auch heute noch erfolgreich sein.

Wo sieht sich Melanie Hofinger in fünf Jahren?

Solche Fragen mag ich ehrlich gesagt nicht besonders – ich schaue ungern in die Glaskugel. Das Leben überrascht uns oft, und Pläne ändern sich schneller, als man denkt. Viel wichtiger ist mir Zufriedenheit. In fünf Jahren hoffe ich, zufrieden zurückblicken zu können – mit Wehmut, neuer Erkenntnis und Stolz auf das, was ich erreicht habe. Scheitern ist keine Schande, sondern manchmal einfach ein neuer Anfang.

Wenn man Ihnen ein kleines Ostergeschenk machen möchte – womit hätten Sie Freude?

Mit ehrlicher Zeit, einem guten Gespräch – oder einem handgeschriebenen Brief. Kleine Gesten mit Bedeutung sind für mich das Schönste.

Fotos: © T.Duschlbauer

2025-03-31T20:42:50+02:00