So alt wie die Menschheit, so alt ist auch die käufliche Liebe. Und wie alles, was im Laufe von Jahrhunderten ewigem Wechsel unterworfen ist, so hat auch diese „Institution“ ihr Antlitz mannigfach verändert und auch in der Stadt Linz ihre Geschichte geschrieben.
Ein Leserbrief der Bewohner der Klosterstraße, abgedruckt 1876 in der Tages-Post, beschreibt uns ein wenig die Situation von damals: „In der Mitte der Stadt, in der Klosterstraße, besteht zum Skandale der ganzen Stadt schon seit Langem ein öffentliches Bordell im Gasthause ‚Zur Sense‘ und es geht daselbst in einer Weise zu, wie solches in Linz wohl noch nie dagewesen. Frauen und Mädchen können, besonders abends, auf dieser Seite der Straße gar nicht passieren, weil sie stets der Gefahr ausgesetzt sind, zudem sind die Bewohner der Nachbarhäuser durch das oft die ganze Nacht dauernde Spektakel und Lärmen in dieser Lasterhöhle in ihrer nächtlichen Ruhe gestört.“
Eine Stadt sieht rot. Bereits 1895 verordnete der Linzer Gemeinderat daher Pflichten für Prostituierte. Dazu zählte, dass sie ein Gesundheitsbuch führen und zweimal in der Woche zur Untersuchung mussten. Einige Jahre später etablierte sich der Schullerberg zum Zentrum der Linzer Rotlichtszene. Es war dort, wo die Straßenzüge „Tiefer Graben“ und Flügelhofgasse die Römerbergstraße mit der Lessingstraße verbinden. In diesen Häusern wohnten die „Madln“. So wurden von den Bewohnern der Umgebung die Freudenmädchen genannt. Tagsüber lehnten sie zumeist schön herausgeputzt an den Fenstern: Wie träge Katzen in der Sonne, heißt es in zeitgenössischen Berichten, lagen sie mit vorgebeugtem Oberleib auf den weichen Fensterpolstern und lockten mit heißem Blick und leisem Zuruf die vorübergehenden Männer an. Am Abend gingen sie auf die Gasse, um die Männer direkt anzusprechen. Man war ihnen in der nächsten Nachbarschaft nicht böse und auch die verheirateten Frauen waren ihnen nicht feindlich gesinnt, da sie ja wussten, dass ihre Männer zu arm und auch abends zu abgerackert waren, um die Frauen hinter den roten Vorhängen aufzusuchen.
Die Lustwandler. Zumeist handelte es sich bei den Freiern um Soldaten der Linzer Kasernen und um Matrosen vom nahe gelegenen Umschlagplatz an der Donau sowie um fremde Spaziergänger aus entfernten Stadtteilen, die dann in einem dunklen Hauseingang verschwanden. Oftmals spielten sich dort die wüstesten Raufszenen ab, die ein Einschreiten der Polizei gleichzeitig in mehreren Gebäuden nötig machten. Nach dem 1. Weltkrieg erreichte die käufliche Liebe auch in Linz einen traurigen Höhepunkt: Durch die hohe Arbeitslosigkeit sahen sich viele Frauen oft gezwungen, als letzte Möglichkeit ihren Körper zum Verkauf anzubieten. Auch die geheime Prostitution stieg außerordentlich. Laut einem Polizeibericht wurden im Jahr 1930 114 illegale Prostituierte verhaftet, 1931 waren es bereits 202. Mit dem Austrofaschismus und den christlich-sozialen Werten wurde das Sittengesetz neu überarbeitet und das „Hurenviertel“ beim Schullerberg abgeschafft.
Es ging ums Ansehen. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde den Polizeibeamten der Zutritt zu „zwielichtigen Lokalen“ verboten. Um ihr Ansehen nicht zu gefährden, durften sie diese Lokale weder in Zivil noch in Uniform betreten. Ausschließlich zu Amtshandlungen durften sie dort verkehren. Auf dieser Liste waren ganze 21 Lokale angeführt. Zur Vermeidung des „verbotenen Umgangs“ wurden auch Bordelle für fremdvölkische Arbeitskräfte errichtet. In Linz existierte eines für die tschechischen Arbeiter der Hermann-Göring-Werke in der Wankmüllerhofstraße. Dafür wurden in der Region Budweis Prostituierte zwangsrekrutiert und nach Linz verschleppt. Nach dem 2. Weltkrieg boomte die Branche erneut. In Linz ankerte sogar ein Bordell-Schiff. Um finanziell zu überleben, suchte so manche Frau die Nähe der US-Befreier. Einige Lokale waren ausschließlich den Amerikanern vorbehalten und nur österreichische Frauen durften diese betreten. Der Begriff „Amihure“ wurde zu einem der meistgehörten Schimpfwörter dieser Zeit.
NEUERSCHEINUNG: Das erotische Leben des Heinrich D.
Eine amouröse Zeitreise zu den vielen Höhepunkten eines passionierten Besteigers.
Weitere Einblicke in das Sexualverhalten der Linzer von damals erzählt die Neuerscheinung des Lentia Verlags. Unter dem Titel „Das erotische Leben des Heinrich D.“ führt das Buch durch eine Zeitreise deren Handlung auf wahren Begebenheiten beruht. Es ist die Lebensbeichte eines echten Schwerenöters: Seit der „Mutzenbacher“ wurde nicht mehr so unverhohlen und direkt von dem erzählt, was sich zwischen Mann und Frau abspielt. Heinrich Drums „sexuelles Leben“ ist vor allem soziologisch interessant und lässt wesentliche Rückschlüsse auf das jeweilige Milieu, auf einschlägige, vor allem Linzer Lokalitäten sowie deren Besucher, zu. Manchmal hat man den Eindruck, dieser Heinrich Drum wollte selbst den legendären Schriftsteller und Abenteurer Giacomo Casanova in den Schatten stellen. Um das Vorstellungsvermögen des Lesers anzuregen, illustrieren erotische Fotoaufnahmen das aus 99 Kapiteln bestehende Buch. Sie stammen aus derselben Zeit, in der Heinrich Drum seine Abenteuer und sexuellen Phantasien auslebte. Wer sich näher mit dem biografischen Hintergrund des Verfassers, den lokalen Umständen des Milieus auseinandersetzen will, der wird im Anhang mit authentischem Fotomaterial konfrontiert werden: Bilder, die das Leben des Heinrich Drum erzählen, von seiner Kindheit und Jugend in Linz, dem Aufwachsen im ländlichen Arbeitermilieu zur Kaiserzeit, vom Militärdienst im Ersten Weltkrieg in Italien, den belasteten Zwischenkriegsjahren, von den unangenehmen Erfahrungen in der Kriegs- und NS-Zeit bis zum Neustart in einem wieder unbeschwerteren Leben danach. Einschlägiges Fotomaterial dokumentiert auch das Nachtleben in den verruchten Gassen der Stadt Linz, Bilder, die bisher nie veröffentlicht worden sind und jenes Milieu dokumentieren, in dem auch der Verfasser dieser Schrift regelmäßig verkehrte.