„Lieber spürbar statt aalglatt“
Der Welser Bürgermeister Andreas Rabl (FPÖ) hat einen Bilderbuchstart hingelegt
Vor zwei Jahren übernahm mit Andreas Rabl (45) der erste Nicht-SPÖ-Bürgermeister seit 1946 das höchste politische Amt der Messestadt. Zeit für eine „Fragestunde“ an jenen Mann, der mit Wels schon einiges erreicht, aber noch viel mehr vorhat.
Der erste Nicht-SPÖ Bürgermeister seit 1946: Wann dachten Sie das erste Mal daran, dass sich das ausgehen könnte?
Das war am Wahlabend des 27. September 2015, als sich zwischen dem SPÖ-Bürgermeisterkandidaten und mir ein Unterschied von knapp 20 Prozent ergeben hat. Die folgenden zwei Wochen bis zur Stichwahl habe ich mich dann erstmals tatsächlich damit auseinandergesetzt, das Amt des Bürgermeisters zu übernehmen.
Sie sitzen seit 2001 im Welser Gemeinderat. Auch wenn man so etwas keinesfalls planen kann, aber: War es schon länger Ihr Wunsch, einmal Bürgermeister Ihrer Heimatstadt zu sein?
Ich bin mit 15 Jahren in die Politik gegangen und es war eigentlich immer mein großes Ziel, einmal Bürgermeister von Wels zu werden, weil man mit diesem Amt große Gestaltungsmöglichkeiten hat und eine große Autonomie, die man kaum in einem anderen Amt hat.
Wels wurde in den Medien ein bisschen zu einer Art Laborversuch hochstilisiert: „Wie werden sie’s denn angehen, die Blauen, wenn Sie in der Verantwortung stehen?“ – haben Sie diese besondere Beobachtung selber auch wahrgenommen?
Natürlich nimmt man so etwas wahr, auch weil man bei einem Freiheitlichen immer etwas genauer hinschaut, manchmal sogar etwas überkritisch. Viele haben aber sehr bald erkannt, dass wir wie andere auch nur versuchen wollen, diese Stadt bestmöglich zu regieren. Vieles gelingt, manches nicht, da geht es mir nicht anders. Der Wertekatalog für die Welser Kindergärten etwa war ein großer Aufreger, in Wien wurde er jetzt lange nach uns präsentiert – und man hat ihn dort einfach zur Kenntnis genommen. Da erkennt man schon sehr stark die unterschiedliche Wahrnehmung.
Handelt man in einer Situation, in der alle auf einen schauen, auch anders? Will man da manchmal auch unbewusst jemandem gefallen oder sind Sie davor gefeit, aktivem oder passivem Druck nachzugeben?
Ich versuche, so zu sein wie immer. Ich gehe nach wie vor jeden Samstag auf den Markt, gehe einkaufen und bewege mich durch die Stadt wie vorher. Natürlich ist mir bewusst, dass jetzt mehr Augen auf mich gerichtet sind, dadurch ist man in manchen Momenten vielleicht eine Spur kontrollierter. Aber ich glaube, man wäre falsch beraten, wenn man sich jetzt anders gibt oder auf Druck nachzugeben. Immer nur so zu sein, wie es sich andere erwarten, führt dazu, dass man seine Authentizität verliert – und gerade die ist in der Politik ganz wichtig, sonst verliert man seine Ecken und Kanten. Ich bin lieber spürbar statt aalglatt, das ist gerade als Bürgermeister ganz wichtig.
Sie waren während Ihrer Studienzeit und in den ersten Berufsjahren auch lange Zeit in großen Städten wie Wien und Strasbourg tätig. Kann es passieren, dass Ihnen der Anzug hier zu klein wird und Sie Ihr Leben und Wirkungskreis zum Beispiel wieder nach Wien verlegen?
Wenn mir mein Anzug zu klein wird, dann liegt es daran, dass ich sehr leicht zunehme (lacht). Ein Wechsel woanders hin ist derzeit nicht Teil meiner Lebensplanung. Ich bin Wels verpflichtet, es macht Spaß und es gibt hier sehr viel zu tun. Darum habe ich nicht vor, woanders hinzugehen.
Das Image eines Politikers ist in diesen Zeiten ja nicht unbedingt das Allerbeste. Wie geht es Ihnen damit: werden Sie auf der Straße auch mal schief angesprochen?
Ja, auch ich werde manchmal “blöd” angeredet, aber das hält sich sehr in Grenzen. Im Gegenteil: Es gibt sehr viel positives Feedback, konstruktive Vorschläge, das geht von der kaputten Straßenlampe bis hin zu einer Verkehrssituation. Wenn’s wirklich mal zu einer Unmutsäußerung kommt, bleibe ich höflich und versuche, sachlich darauf einzugehen. Aber das ist wiegesagt ein so geringer Anteil, dass das verkraftbar ist.
Viele sagen Wels stand und steht viel zu stark im Schatten der nahen, großen Landeshauptstadt Linz. Empfinden Sie das auch so?
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Linz als Landeshauptstadt gewisse Vorzüge hat und auch dreimal so groß wie Wels ist. Ich möchte aber auch viele Probleme nicht haben, die Linz hat – insofern hat alles seine Vor- und Nachteile. Wels hat sich als sehr lebenswerte “7-Minuten-Stadt” positioniert. Das heißt, dass man mit dem Auto in sieben Minuten überall in Wels ist. Wels als kleinste Großstadt oder größte Kleinstadt hat viele weitere Vorteile, weil fast jeder jeden kennt und man dadurch sehr viele persönliche Zugänge hat. Wels hat eine wunderbare Lebensqualität, mit der man sehr zufrieden sein kann. Ich betrachte Linz daher nicht als Konkurrenz – im Gegenteil: Wir gehen sehr partnerschaftlich miteinander um.
Gibt es auch Parallelen und Formen der Zusammenarbeit mit Linz?
Für mich ist klar, dass der Wirtschaftsraum Linz-Wels und alles dazwischen einmal zusammenwachsen wird und die Stadtgrenzen verschwinden. Teilweise ist das im Linzer Westen und Süden, aber auch in Wels etwa in Richtung Marchtrenk der Fall. Auch im Zugverkehr sind die beiden Städte bis auf ein paar Minuten zusammengerückt. Mit dem Linzer Bürgermeister Klaus Luger gibt es zudem eine sehr enge Achse und ein ausgezeichnetes persönliches Verhältnis. Auch auf der persönlichen ebene passt es sehr gut.
Fast alle großen Kulturinstitutionen und Ämter sind in Linz angesiedelt. Sind Sie in diesen Bereichen ein Freund der Dezentralisierung – etwa, dass hier ruhig auch Wels mal zum Zug kommen sollte?
Das ist kein Verteilungskampf in Oberösterreich. Vielmehr muss sich der Bund überlegen, ob wirklich jede Institution in Wien situiert sein muss. Etwa das Patentamt – in Deutschland befindet sich dieses in München und nicht in Wien. Warum kann so etwas nicht in Wels angesiedelt sein statt in Wien? Für viele Institutionen gäbe es sinnvolle Standorte in den Bundesländern, weil sowohl Erhaltungskosten als auch Immobilienpreise meist weit unter jenen von Wien liegen. Insofern kann ich dem schon etwas abgewinnen, Institutionen zu dezentralisieren.
Eines der Probleme von Wels in der Vergangenheit: die fehlende Identität – auch der Bürger mit ihrer Stadt. In diese Richtung haben Sie bereits einige Initiativen gesetzt. Merken Sie bereits ein Umdenken in den Köpfen, gibt es bereits ein „Wir Welser“ Gefühl?
Wir haben bereits sehr viele identitätsbildende Maßnahmen gesetzt, uns ist hier auch schon sehr viel gelungen. Das beginnt bei einem eigenen Bier und geht hin bis zu diversen neuen Festivals. Der beste Beweis, dass Wels seine Identität zurückgewonnen hat, ist der Sieg beim Wettbewerb um das Red Bull Konzertspektakel, dass wir gegen einige andere viel größere Städte gewonnen haben. Hier hat sich ganz klar gezeigt, wie stark die Welser zu ihrer Stadt stehen. Vor allem hat es gezeigt, dass man gemeinsam etwas bewegen und erreichen kann. Wir werden auch zukünftig sehr viel in identitätsbildende Maßnahmen investieren. Die Welser sind mittlerweile wieder stolz auf ihre Stadt.
Ein neues Logo hat sich Wels bereits verpasst, ein Slogan fehlt noch. Haben Sie eine Idee oder gibt es Agenturvorschläge, die Ihnen gefallen?
Wir haben auch diese Richtung überlegt, aber egal was wir mit einem Slogan sagen wollen – etwa Einkaufsstadt, Wirtschaftsstadt oder Messestadt – es war im Ergebnis immer zu beschränkt. Marketingexperten haben uns auch von so einem Slogan abgeraten, außer man hat ein ganz markantes Wiedererkennungsmerkmal. Auch Paris oder London haben keinen Slogan. Und der Berliner Slogan aus den 1990er-Jahren “Arm aber sexy” passt für Wels auch nicht (lacht). Kurz: Ein Slogan würde uns zu sehr einschränken.
Was ist aus Ihrer Sicht das ganz Besondere an Wels?
Die Herzlichkeit, mit der die Leute miteinander umgehen und dank der man sehr schnell aufgenommen ist in eine Gemeinschaft und dass man in dieser Kleinstadt alles bekommt, was man auch in einer Großstadt hat. Vielleicht nicht in dieser Vielfalt, aber man hat für alles einen Anlaufpunkt in Wels. Was man dafür aber nicht hat, sind die Problemkulturen von Großstädten.
Was fehlt in Wels am dringendsten?
Wir haben in Wels nach wie vor ein Integrationsproblem, obwohl es sich schon gebessert hat. Im Bereich Kindergarten und Schulen muss sich noch einiges tun, obwohl wir hier schon mit eigenen Sprachklassen und Sprachgruppen aktiv wurden. Hier muss aber auch der Bund aktiver werden, weil uns die Möglichkeiten fehlen.
Was sind die größten Herausforderungen für Wels im neuen Jahr?
Wir habe das größte Investitionsprogramm abzuarbeiten, das Wels je gesehen hat. Das beinhaltet u.a. den Bau eines neuen Amtsgebäudes, eines Kindergartens und diverse Infrastrukturvorhaben wie eine neue Autobahnauffahrt. Ein zweiter großer Schwerpunkt ist die Erneuerung der Infrastruktur innerhalb des Magistrats.
Es ist modern geworden, dass sich Politiker bei Ihrem Antritt ein Ablaufdatum auferlegen. Der zukünftige Ex-Kanzler etwa will nur zehn Jahre in der Politik bleiben. Wie schaut Ihre diesbezügliche Planung aus?
Wichtiger ist, dass ein Job Freude bereitet. Ich kann daher nicht sagen, dass ich etwas zehn Jahre tue, wenn ich nach drei Jahren keinen Spaß mehr daran habe. Ich sehe aber auch nicht ein, dass ich nach zehn Jahren gehen muss, obwohl es mir noch Freude macht und der Wähler das auch so sieht. Solange es Spaß macht und die Unterstützung der Bürger da ist, sollte man seinen Job tun.
Ihr Lieblingsplatzerl in Wels – wo in Wels trifft man Sie am ehesten, wenn Sie nicht im Rathaus sitzen oder daheim relaxen?
Am Wochenende bin ich meist am Sportplatz eines unserer beiden Welser OÖ Liga-Klubs, beide Vereine liegen heuer ja ziemlich weit vorne. Dort erlebt man ein eigenes Gefühl der Spannung, zudem gibt es kaum einen vergleichbaren Ort, wo man so viel erfährt wie am Fußballplatz.
Und in welche Lokale zieht es Sie?
In der Fußgängerzone rund um die Schmiedgasse hat sich mit dem Schwarzen Dackel oder dem Café Urbann eine eigene Kaffeehaus- und Fortgehkultur entwickelt, wo ich sehr oft anzutreffen bin.
Welchen Ort in Wels würden Sie einem Fremden als erstes zeigen?
Den Stadtplatz. Ein historisches Juwel, das man in dieser Geschlossenheit und Unversehrtheit nur ganz selten findet.
Bald steht der Jahreswechsel bevor. Weil heute viel von Veränderung die Rede war: Was wird sich – Stichwort Neujahrsvorsätze – bei Andreas Rabl im neuen Jahr persönlich ändern?
Vorsätze begleiten mich über das ganze Jahr. Manchmal gelingt es mir, sie zu erfüllen, aber leider oft auch nicht. Ein Vorsatz ist für mich aber immer wieder ein Anstoß, über Selbstverständlichkeiten nachzudenken – im Sinne von muss manches so sein oder so bleiben? Daher wird es bei mir auch heuer wieder einen Neujahrsvorsatz geben. Dieser bleibt aber geheim, sonst weist mich jeder darauf hin, wenn ich ihn nicht einhalte (lacht).
Fotos: © Holzleitner