• Kirche St. Leonhard bei Pucking

Kleine Gebetsstätte mit großer Geschichte.

Die Kirche St. Leonhard bei Pucking ist ein Kleinod.

Die Bauarbeiter müssen mächtig ge­flucht haben, als das Unglück pas­sierte. Ein Balken hatte sich vom Ge­rüst gelöst und war gegen eine Mauer im Inneren der Kirche geprallt. So­fort bröckelten mehrere Kalkschichten ab. Auf diese Weise kam ein verborgener Schatz ans Tageslicht – Wandgemälde aus der Gotik. Das gesamte Gotteshaus ent­puppte sich als wertvolles Kunstwerk.

Pas­siert ist das aus einer Enttäuschung heraus. Denn Pfarrer Karl Braunschmied hatte von der Entdeckung eines bemalten Tierkopfs aus dem Jahr 1907 in seiner Kirche St. Le­onhard erfahren. Daraufhin suchte er eifrig nach weiteren Wandbemalungen im unte­ren Mauerbereich – erfolglos! So wollte er 1946 das Gotteshaus innen wieder weiß tünchen lassen. Der Unfall dabei mutete wie eine göttliche Fügung an.

Türken als Geburtshelfer. Eine Gründungslegende besagt, das Seibot von Vol­kensdorf auf einem Kriegszug in türkische Gefangenschaft geraten war. Sollte er be­freit werden, gelobte er, würde er eine Kir­che stiften. St. Leonhard, der Schutzpatron der Gefangenen, erhörte ihn und so löste Seibot sein Versprechen ein. Im Lauf der Reformation im 16. Jahrhundert wechselten die Herren von Pucking zum protestanti­schen Glauben über. Als Kaiser Ferdinand II. 1621 das Land ob der Enns an Bayern verpfändete, mussten Anhänger dieser Re­ligion ihre Heimat verlassen. Die neuen Besitzer von St. Leonhard verpassten der Kir­che wahrscheinlich 1720/1721 eine barocke Innenausstattung. Vermutlich verschwand damals die Malerei unter einer Schicht von Kalk und geriet in Vergessenheit. Kaiser Jo­sef II. drohte 1786, die Kirche zu schließen. Er war bestrebt, Wallfahrten wie jene, die dort stattfanden, stark einzuschränken. Er meinte, sie lenkten sonst brave Bauern von der Arbeit ab. Man konnte aber glaubhaft machen, dass das Gotteshaus auch eine wichtige Rolle bei der Seelsorge spielte. Au­ßerdem suchten häufig Überschwemmun­gen die benachbarte Puckinger Kirche heim. Mit diesen Argumenten gelang es, St. Leonhard zu retten.

Reiche Bauern. Die Erde in St. Leon­hard war immer schon fruchtbar. Man fin­det dort etliche stattliche Bauernhöfe. Wer hier Land besaß, war in der Lage, einen Sitzplatz auf der Empore der Kirche zu mie­ten. Je wohlhabender und zahlungskräftiger der Bauer, desto weiter vorne durfte er sit­zen. Besitzlose Mägde und Knechte muss­ten mit den Bänken unten im Hauptschiff vorlieb nehmen. Diese Gepflogenheit wur­de bis in die zweite Hälfte des vorigen Jahr­hunderts beibehalten.

Starke Pfarrerpersönlichkeiten. Hans Innerlohinger war VOEST-Kaplan, bevor er 1983 nach Pucking kam. Er hatte sich im Industriebetrieb beharrlich für die Rechte der Arbeiter eingesetzt und sich bei der Fir­menleitung nicht gerade beliebt gemacht. In seiner neuen Pfarre legte er sich dann mit dem Denkmalschutz an. Seine Devise laute­te: „Was nicht mehr taugt, wird abgerissen!“ So ließ er unbefugt historische Kirchenbän­ke entfernen und musste dafür Strafe zah­len. Seine sterblichen Überreste vermachte er der Medizin: „Ich bin mit nichts in die Welt gekommen und ich gehe mit nichts fort“, erklärte er. Ab 1996 übernahm Walter Miggisch die Pfarre. Zuvor hatte er ein Jahr lang mit Obdachlosen in Straßburg gelebt und versucht, ihnen auch mit Musik wieder neuen Lebensmut einzuhauchen. An sei­nem neuen Wirkungsort quartierte er oft bedürftige Menschen ein. Messen finden heutzutage in St. Leonhard nur noch alle vier Wochen statt. Pucking verfügt über kei­nen eigenen Pfarrer mehr. Da eine Heizung fehlt, bleibt die Kirche in der kalten Jahres­zeit geschlossen. So stellt der Leonhardiritt, der an diesem Ort Ende Oktober stattfindet, einen Höhepunkt dar. Die Schriftstellerin Ilse Bachl organisiert in dieser spirituellen Atmosphäre regelmäßig literarische Lesun­gen. Wer das Gotteshaus besichtigen möch­te, erhält den Schlüssel nebenan im Gast­haus Kirchenwirt-Zeiner.

Fotos: © Redaktion/Sokoloff

 

2019-01-29T21:27:03+01:00