Blöder werden wir nicht.
MARTINA MARA über künstliche Intelligenz, Verantwortung und Visionen.
Staubsauger- und Rasenmäher- Roboter gehören schon zum Alltag, selbstfahrende Autos sind keine Vision mehr. Inwieweit beeinflussen, ja bestimmen Roboter bereits unser Leben? Und was kommt noch? Darüber plauderte City!-Redakteurin Hilde Weber mit Roboterpsychologin Dr. Martina Mara (36).
CITY!: Sie sind seit kurzem Professorin für Roboterpsychologie an der Johannes Kepler Universität – was darf man sich darunter vorstellen?
Mara: Also, bei mir liegen keine Roboter auf dem Freud´schen Sofa. Dafür gibt es auch gar keinen Bedarf, denn Roboter haben keine Psyche. In meiner Arbeit geht es darum, wie Menschen Roboter oder andere autonome Maschinen erleben, wie es ihnen im Umgang damit geht. Welche Ängste gibt es gegenüber künstlicher Intelligenz? Wann fühlen sich Menschen von Maschinen dominiert? Und was kann man dagegen tun?
Ein interessanter Job. Wie war Ihr Weg dorthin?
Ich habe ursprünglich Kommunikationswissenschaften studiert, hatte dort schon einen sehr technikpsychologischen Fokus und bin im Doktorat dann auf Psychologie umgestiegen. Vor knapp 10 Jahren habe ich den japanischen Robotiker Hiroshi Ishiguro getroffen – ein Enfant terrible in der Technik-Szene, weil er es sich zum Ziel gesetzt hat, Roboter zu entwickeln, die vom Menschen nicht mehr zu unterscheiden sind. Er hat einen robotischen Zwilling von sich gebaut und diesen beim Linzer Ars Electronica Festival präsentiert. Es war höchst interessant zu sehen, wie die Menschen auf dieses „Ding“ reagierten, welche Ängste und welcher Grusel, aber auch welche Faszination ausgelöst wurden. Aus sozialwissenschaftlicher, auch psychologischer Perspektive war das sehr interessant und so habe ich das zu einem Forschungsschwerpunkt für mich gemacht.
Die technologische Entwicklung geht rasant voran. Wie wird die Zukunft aussehen?
Es wird noch einiges auf uns zukommen, da sehr viele Dinge in der Entwicklung sind. Erste selbstfahrende Autos und auch digitale Assistenten wie Alexa oder Siri gibt’s bereits. Mit vielen positiven Seiten. Aber manche Entwicklung bereitet selbst mir, die ich täglich mit der Materie zu tun habe, Unbehagen. So hat Google erst kürzlich einen Assistenten präsentiert, der sich am Telefon als Mensch ausgeben und z.B. Friseurtermine oder eine Tischreservierung im Restaurant ausmachen kann – und zwar so „echt“, dass der Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung nicht bemerkt, dass er hier mit einem Roboter kommuniziert. Diese Entwicklung finde ich sehr bedenklich, denn hier handelt es sich um bewusste Irreführung.
Müssen wir uns fürchten?
Ich finde grundsätzlich, dass wir das Konkurrenzdenken zwischen Mensch und Maschine ablegen sollten. Wir brauchen positive Zukunftsbilder, auf die man hinarbeiten kann. Es bringt uns ja auch nicht weiter, wenn wir nur düster in die Zukunft blicken. Wir sollten uns daher nicht fürchten, sondern daran mitarbeiten, dass bei der digitalen Transformation etwas Gutes rauskommt. Dass ein Roboter einen Menschen in seinem gesamten Wesen ersetzt, wird ohnehin nicht möglich sein. Aber es gibt viele Bereiche, in denen Roboter Arbeiten abnehmen, in denen künstliche Intelligenz uns unterstützen kann. Sei es in der Fertigung am Fließband, im Warentransport, bei stupiden, sich ständig wiederholenden Tätigkeiten oder in der medizinischen Datenanalyse.
Roboter in der Altenpflege, in der Kinderbetreuung, als Kuscheltiere – ist das nicht auch irgendwie traurig?
In allen Bereichen, in denen Einfühlungsvermögen gefragt ist, wo es um Kommunikation und Erfahrungsaustausch geht, wird der Roboter den Menschen nicht ersetzen können. Wir dürfen uns da selbst nicht unterschätzen! Außerdem zeigen europaweite Studien, dass sich in sozialen Bereichen wie der Pflege kaum jemand den Einsatz von Robotern wünscht. Niemand braucht einen Roboter, der der Oma im Altenheim den Arm streichelt. Aber wir brauchen Roboter, die Pflegerinnen und Pfleger unterstützen, damit ihnen mehr Zeit Denken Sie einmal 60 Jahre zurück. Damals haben sicher viele Menschen gesagt: „Ich lasse meine schöne Bluse doch nicht von einer Maschine waschen, das mache ich schon selber. Die Maschine macht sie mir doch höchstens kaputt.“ Heute ist eine Waschmaschine Selbstverständlichkeit. Natürlich werden wir in manchen Bereichen Kompetenzen verlieren, wie etwa auch bei der Handschrift, was ich im Übrigen sehr bedauerlich finde. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob meine Tochter noch einen klassischen Führerschein wird machen müssen. Aber ehrlich: Was hindert uns denn daran, manche Dinge weiterhin zu tun? Was hält uns davon ab, einen Brief mit der Hand zu schreiben? Dort, wo der Benefit einer Technologie die Melancholie über etwaige Kompetenzverluste übertrifft, werden wir sie wohl nützen. Was uns selbst sehr wichtig ist, werden wir uns erhalten. Und eines ist auch sicher: Blöder werden wir nicht. Nachweislich wird der Mensch immer intelligenter, und eine große Chance der Automatisierung liegt darin, dass wir uns in der Zukunft mehr in Richtungen bewegen, die uns besonders liegen: Forschung, Erfindergeist, Kreativität, Kunst, Kommunikation.
Themenwechsel. Welche Urlaubspläne haben Sie für diesen Sommer?
Wir werden heuer in Österreich bleiben und verbringen einige entspannte Tage in der Wachau und danach in einer Hütte am Katschberg. Als Fernreise kommt wahrscheinlich bald wieder einmal Japan an die Reihe. Nachdem mein Mann beruflich in einem ähnlichen Bereich zu tun hat wie ich, ist Japan für uns immer interessant und faszinierend. Wir waren schon oft dort und wann immer es möglich ist, hängen wir ein paar Urlaubstage in der Gegend Kyotos dran.
Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
Natürlich verbringe ich gerne Zeit mit meiner kleinen Tochter – zeichnen, basteln, spielen. Eine nerdige Ader habe ich schon auch: Ich mag Computerspiele, am liebsten Jump’N’Runs der Sorte Super Mario und ich liebe Live Escape Games, bei denen man komplexe Rätsel lösen muss, um sich aus einem Raum zu befreien. Mein größtes Hobby ist aber wahrscheinlich kochen, sehr gerne asiatisch. Da haben mir japanische Freunde einige Tricks verraten und so stehen bei uns öfter Teriyaki-Lachs, Udon-Nudeln, Gyoza oder Tempura auf dem Speisenplan.
Mit wem würden Sie gerne einmal einen Abend verbringen, und warum?
Am liebsten allein mit meinem Mann. Ist man erst einmal Mama und Papa, lernt man schöne Abende in Zweisamkeit ja wieder zu schätzen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Wie lang darf denn die Liste sein? Spontan würde ich mir wünschen, dass wir den Plastikmüll aus den Meeren bekommen. Dass führende Online-Händler aufhören, neue Geräte, Möbel oder Schuhe zu zerstören, nur weil sie Platz im Lager brauchen. Und dass Technologie nicht zu weniger, sondern zu mehr Menschlichkeit führt: Die Menschen müssen wieder mehr miteinander reden, mehr Toleranz füreinander aufbringen. Mangelnde Offenheit für die Blickwinkel Anderer, das Einnisten in der eigenen Filterblase, sehe ich als große gesellschaftliche Probleme.
PERSONALAKTE
MARTINA MARA
Geboren: 1981, ist Technikpsychologin, Publizistin
und seit April 2018 Professorin für
Roboterpsychologie an der JKU Linz. Sie
promovierte 2014 an der Universität Koblenz-
Landau zu menschenähnlichen Robotern und
war viele Jahre als Forscherin am Ars Electronica Futurelab
tätig. Sie ist außerdem Mitglied des Österreichischen Rats für
Robotik und Kolumnistin der Oberösterreichischen Nachrichten.
Martina Mara ist verheiratet, Mutter einer dreijährigen
Tochter und lebt mit ihrer Familie in Linz.
Fotos: © Wakolbinger, Markus Thums