Macho sympatico.
ALEXANDER GOEBEL über Männer, Macht und den Sinn des Lebens.
Er gilt als Meister des Wortwitzes, seine Soloprogramme haben einen hohen Unterhaltungsfaktor.
City!-Redakteurin Hilde Weber traf den vielseitigen Entertainer zu einem unerwartet ernsten Gespräch.
CITY!: Am 9. August gastieren Sie mit Ihrem Programm „Männer“ im Rosengarten am Pöstlingberg. Worauf darf sich das Publikum freuen?
Goebel: Zunächst einmal auf viel Spaß, denn meine Nummer 1 Prämisse in der direkten Auseinandersetzung mit dem Publikum ist Unterhaltung. Mein Credo ist die männliche Identität, für deren Neubestimmung es nie zu spät ist. Eingedenk dessen, dass wir Männer uns in einer prekären Situation befinden, weil wir es verpasst haben, bei der Emanzipation mitzumachen. Die ganz Aufrechten haben das Sitzpinkeln und das Warmduschen gelernt und versucht, so frauenfreundlich wie nur möglich zu sein. Was politisch wahrscheinlich richtig ist, individuell aber ganz falsch sein kann, weil irgendwann sind den Frauen die Männer abhanden gekommen. Und heute wünschen sich viele wieder einen „richtigen Kerl“.
Wann ist ein Mann ein Mann?
Wenn er die Chance wahrnimmt, in Selbstreflektion zu gehen. Das ist wohl das Männlichste, was ein Mann tun kann: sich selbst aus einer kritischen Distanz zu sehen und dann direkt in Kommunikation zu gehen. Nicht mit Frauen, sondern mit anderen Männern. Wir Männer müssen genau das machen, was die Frauen 1968 gemacht haben – und ich war dabei. Ich habe damals in einer Kommune gelebt und mitbekommen, wie Frauen plötzlich miteinander gesprochen haben. Nicht darüber, ob es fair sei, dass sie für die gleiche Arbeit um ein Viertel weniger bekommen wie Männer – ein unfassbarer Zustand, der sich leider bis heute nicht geändert hat. Sie haben auch nicht über Politik geredet, sondern über ihre Sexualität, und das auf sehr lustvolle Art. Und deshalb habe ich jetzt so viel Hoffnung für unsere Kids. Wie zum Beispiel junge Menschen in den USA nun an Probleme wie Schulmassaker, Rechtsruck oder „Trumpismus“ lustvoll herangehen, wie sie lachend dagegen protestieren, wie sie Spaß am politischen Widerstand haben, das freut mich. Das ist die Lebensader der Revolution. Die fängt immer im Bauch an und der Kopf folgt.
Was würden Sie jungen Menschen von heute raten?
Ich brauche ihnen nichts zu raten, sondern muss froh sein, wenn sie mir Beratung zukommen lassen. Sie sind so viel weiter als ich es in den letzten Jahren je erlebt habe. Das Ziel junger Menschen von heute ist nicht, wie viele annehmen, möglichst viel Kohle mit möglichst wenig Aufwand zu verdienen. Ihr Ziel ist der Sinn im Leben – und darum geht es nicht nur bei der Berufswahl, sondern auch in kleinen Dingen des Alltags wie z.B. dem Kauf eines neuen Handys, das fair gehandelt sein muss, bei dem besonders harte Maßstäbe betreffend seltene Erden angelegt werden, das zur Reparatur gegeben werden kann usw. Hier wächst eine Generation heran, die über ihr Konsumverhalten Wirtschaft und Industrie zu neuen Maßstäben erzieht. Darauf hoffe ich.
Wollten Sie jemals etwas Anderes werden als Schauspieler/ Entertainer?
Ich wollte immer eine kraftvolle, kreative Tätigkeit haben. Es hätte mich auch interessiert, Dirigent, Journalist oder Verleger für Kunstbücher zu werden. Der Weg, den ich letztendlich als Künstler gegangen bin, war sicher eine gute Entscheidung. Aber die Suche hört nie auf, ich bin nach wie vor einer der neugierigsten Menschen, ich hole mir Arbeit, wo immer ich sie kriegen kann.
Man sagt oft, Sie seien ein Macho. Stimmt das?
Nun, man braucht als Künstler ein öffentliches Bild und wenn man nicht selbst dafür sorgt, dann tun es andere. Das geht dann meistens schief. Als mein Lied „Dieser Körper ist der nackte Wahnsinn“ vor Jahren ein Hit war, wurde ich in einem Interview gefragt: „Sind Sie denn ein Macho?“ Meine Antwort: „Als solcher empfinde ich mich nicht, aber ich habe auch nichts dagegen. Ich sehe mich als Macho mit Augenzwinkern.“ Daraus wurde „Ich bin ein Macho!“ Und die letzten zwei Worte habe ich nie mehr wieder in den Satz hineinbekommen. Übrigens denken ja heute noch viele, das sei ein Lied über meinen Körper. Was mich über viele Jahre in einen furchtbaren Stress gebracht hat. Ich bin aus dem Fitness-Center gar nicht mehr rausgekommen, einfach weil ich daran gemessen wurde. Und ich kann heute in kein Freibad gehen, weil sofort aus jeder Ecke kommt: „Na, der nackte Wahnsinn ist er nimmer!“
Sie sind auch als Autor aktiv – eines Ihrer Bücher trägt den Titel „Gute Gefühle“. Was erzeugt bei Ihnen gute Gefühle?
Ich liebe es, wenn ich ein gutes Gespräch führen kann, bei dem ich die Gewissheit habe, etwas lernen zu können. Das Gespräch ist immer der Schritt Nummer 1. Ein Beispiel: Empörung hat noch keine Gesellschaft verändert – geäußerte Empörung ist der erste Schritt. Man muss sich der Auseinandersetzung stellen und ich mache das sehr gerne, weil mich als Mann der Sprache jedes gute Wort inspiriert. Mir fallen Geschichten, Stücke, Programme ein – ohne Kommunikation ginge das nicht.
Wenn man Sie mit Ihrer Energie und Kraft auf der Bühne erlebt, kann man kaum glauben, dass Sie im Oktober 65 werden. Wie gehen Sie mit dem Alter um?
Wunderbar! Ich bin so stolz auf mich. Ich bin mit 15 zum ersten Mal auf der Bühne gestanden, feiere also heuer mein 50jähriges Bühnenjubiläum – kaum zu glauben. In meinem Leben ist aber auch alles unglaublich gut gelaufen. Ich war in all den Jahren nicht einen Tag arbeitslos bzw. wäre es mir niemals eingefallen, mich arbeitslos zu melden, wenn nach dem Ende eines Engagements nicht nahtlos ein weiteres angeschlossen hätte bzw. ich mein nächstes Programm nicht fertig gehabt hätte. Als jemand, der im Vergleich zur berühmten alleinverdienenden Mutter an der Kasse sehr gut verdient, sehe ich es als meine Pflicht an, auch mal von persönlichen Rücklagen zu leben. Es würde mir in 100 Jahren nicht einfallen, dem Staat am Säckel zu gehen bzw. dieses Geld anderen wegzunehmen, die wirklich von der Notstandshilfe leben müssen. Das ist meine Art von Solidarität.
Wie halten Sie sich fit?
Ich versuche nach wie vor, in der schweren Auseinandersetzung mit meinem gleichaltrigen Schweinehund zu obsiegen und ins Fitness-Center zu gehen. Fit hält mich aber auch der Aki, mein Hund, der jeden Tag zweimal raus muss – und bei ihm bedeutet „raus“ gleich mal 2-3 Stunden marschieren im Wienerwald.
Mit wem würden Sie gerne einmal einen Abend verbringen, und warum?
Mit Cleopatra und mit Margareth Thatcher – die beiden würden mich interessieren, weil es Frauen sind, denen man nachsagt, sie hätten Kriege begonnen. Ich sage ja immer wieder auf der Bühne, dass ich mir mehr Frauen in der Politik wünsche – oder noch besser: eine hodenlose Politik. Ich bin der Meinung, dass das „Dicke-Eier-Symptom“ Kriege verursacht, dieser überschüssige Testosterongehalt vieler Männer, der einfach Unheil anrichtet. In dieses Risiko sollten wir gar nicht gehen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Eine neue Gesprächskultur, eine Zusammenarbeit zwischen Kultur und Wirtschaft auf Augenhöhe, eine gesamtgesellschaftliche Hochachtung Künstlern gegenüber, die Bildung aus den Klauen der Politik zu reißen und die ein- für allemal ersatzlose Streichung des Begriffes Macht inkl. all seiner Deutungen. Die Frage kann nur sein: Brauchen wir Macht? Und die Antwort kann nur sein: Ja, wenn sie vernünftig gehandhabt wird. Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass es offenbar entweder keine vernünftige Macht gibt oder dass Menschen zu sehr verführt sind, die unvernünftige Macht zugunsten ihres Egos zu benützen. Das heißt: wir können sie streichen, denn wir haben die Vernunft, mit der wir Menschen überzeugen können, das Richtige zu tun. Wir brauchen keine Macht.
Fotos: © Inge Prader, Rolf Bock