• PHILIPP HOCHMAIR

Kunst schafft gute Energie.

PHILIPP HOCHMAIR über Vorstadtweiber, Freiräume und die Kraft der Kunst.

Man bezeichnet ihn als Spielwütigen, als Sprechvirtuosen, als „Immer-Alles-Geber“, als Triebtäter auf der Bühne, manchmal auch als Rampensau. In der TV-Erfolgsserie „Vorstadtweiber“ ist er der männliche Star. CITY!-Redakteurin Hilde Weber traf Philipp Hochmair und durfte dabei nicht nur einen grandiosen Schauspieler, sondern vor allem einen sensiblen und ganz außergewöhnlichen Menschen kennenlernen.

CITY!: Die dritte Staffel der „Vorstadtweiber“ geht ab Jänner 2018 auf Sendung. Sie spielen darin den schwulen Politiker Joachim Schnitzler, einen ziemlich fiesen Typen. Was ist für Sie das Reizvolle an Ihrer Rolle?

Hochmair: Das Schöne für mich ist, dass Charakterzüge aus einer meiner Lieblingsrollen am Theater, dem Me­phisto im „Faust“, nun in meine Fernsehrolle einfließen. Drehbuchautor Uli Bree hat das sehr gut erkannt und gibt mir auch den Raum, das Teuflische im Schnitzler auszuleben. Das ist ein großes Geschenk für mich. Der Schnitzler wächst übrigens in der dritten Staffel über sich hinaus, rückt ins Zen­trum des Geschehens und kriegt den Platz, sich in eine ganz andere Richtung zu entwickeln. Die Rolle fordert mich zugegebenermaßen aber auch sehr.

Für Ihre Rolle im Kinofilm „Kater“ wurden Sie bei der Diagonale in Graz als „Bester Darsteller“ ausgezeichnet. Was bedeuten solche Auszeichnungen für Sie?

„Kater“ ist ja im Kino ziemlich untergegangen, war vor allem ein Festivalerfolg, der als solcher aber um die Welt gegangen ist und z.B. auch bei der Berlinale ausgezeichnet wurde. Die Ehrung als bester Schauspieler bei der Diagonale ist für mich der erste Preis meines Lebens, wenn man von der Ehrengalerie im Burgtheater absieht. Es ist die Anerkennung meiner Leistung – und ja, ich freue mich sehr darüber.

Wir kennen Sie aber auch als Theaterschauspieler am Burgtheater oder am Thalia Theater Hamburg. Was machen Sie lieber – Bühne oder Film?

Die Kombination ist mir wichtig. Serien wie die „Vorstadtweiber“ sind massentauglich und machen mich einem breiten Publikum bekannt. Im Theater – egal auf welcher Bühne der Welt – kann man sich das Herz aus dem Leib spielen, es bleibt doch nur dem Publikum vorbehalten, das gerade anwesend ist. Für einen Theaterschauspieler ist es aber auch eine große Frage: Kann ich in einem Film bestehen? Komme ich aus dem Theater raus oder bin ich letzten Endes auf die Bühne reduziert? Und natürlich muss man auf der Bühne im Moment präsent sein, kriegt die Reaktionen des Publikums unmittelbar mit; im Film kann man eine Szene, die nicht so gut gelungen ist, nachdrehen. Das ist natürlich ein großer Unterschied. Ich bin sehr froh, dass ich auf beiden Spielwiesen tätig sein kann.

Bekannt sind auch Ihre Soloprojekte wie Goethes „Werther“, Kafkas „Amerika“ oder ganz besonders „Jedermann reloaded“ – Stücke, in denen Sie alle Rollen übernehmen. Was hat Sie bewogen, derartige Projekte auf die Bühne zu bringen?

Die Flexibilität. Wenn man am Theater in Stücken wie dem „Faust“, dem „Zerbrochenen Krug“ oder auch dem „Jedermann“ mit vielen anderen auf der Bühne steht, ist man auch auf andere angewiesen, ist man ein Zahnrad in einer großen Maschinerie. Mit meinen Solo-Performances bin ich viel flexibler, kann mein Publikum quasi auf eine Reise mitnehmen oder auch an Orten spielen, an denen sonst überhaupt kein Theater stattfindet.

Ist ein Stück wie der „Jedermann“ heute noch zeitgemäß?

Zeitgemäßer denn je! In unserer Zeit des Turbo-Kapitalismus, in der viele Menschen nur noch an Geld denken und den Glauben verlieren, stellt sich natürlich die Frage: Woran glaubt man noch in dieser Welt? Der Jedermann lässt sich ganz klar von seinem Geld und seiner Eitelkeit dominieren und muss in dem Moment, wo der Tod an seine Türe klopft, erkennen, dass es im Leben um ganz etwas anderes geht als um materielle Dinge.

Woran glauben Sie?

An die Kunst, an die Unsterblichkeit des Theaters, an die Strahlkraft von Literatur, an die gute Kraft von Bildern. Ich glaube an gute Kunst, die uns Grenzen überwinden lässt, Freiräume schafft, ein neues Denken ermöglicht, vielleicht sogar die Welt zur Veränderung zwingt. Große Denkprozesse wurden immer durch Kunst eingeleitet.

Wenn man Sie auf der Bühne erlebt, hat man den Eindruck, Sie stehen immer unter Strom. Das muss doch enorm anstrengend sein. Woher nehmen Sie diese unbändige Energie?

Aus der Begeisterung für die Sache. Für mich ist es so ein Glück, ein Stück wie „Werther“, „Amerika“ oder „Jedermann“ aufzuführen. Als ich „Amerika“ das erste Mal gelesen hab, ist mir fast das Herz stehen geblieben, so toll fand ich das und es ist für mich einfach faszinierend, einen Kafka-Roman immer wieder aufs Neue über Jahre hinweg aufzuführen. Ich habe den Text vor vielen Jahren beim Hüten von Kühen auf einer Alm gelernt und das Stück inzwischen in so vielen Orten der Welt gespielt und es ist jedes Mal neu und etwas Besonderes. Diese Faszination ist es, die mich antreibt.

Kann es sein, dass die Exzentrik, die Sie auf der Bühne ausleben, auch eine Schutz­funktion hat?

Ich sehe meine Exzentrik weniger als Schutz als den Wunsch zu zeigen, dass man manchmal auch Regeln beiseitelassen und die Perspektive wechseln kann, und dass die Welt auch verspielt sein kann.

Sie stehen ganz offen zu Ihrer Leseschwäche. Wie erlernen Sie Ihre Rollen?

Indem ich sie quasi in meinen Körper ziehe. Ich erarbeite sie mir wie eine Partitur, suche mir die für mich wichtigsten Sätze heraus, die auch mein Innenleben beschreiben, die spiegeln, was mich ausmacht. Ich möchte, dass andere Leute diese Sätze hören können und dafür muss ich sie auswendig lernen und sie so sprechen, dass sie hörbar sind. Wenn das funktioniert, gibt es ein unglaublich gutes Echo. Gute Kunst schafft gute Energie. Und daran glaube ich.

Wie können Sie sich die Texte merken?

Dafür hat wohl jeder seine eigene Taktik. Ich lasse mir Texte vorlesen, mache die Augen zu und spreche nach. Es dauert zwar recht lange, bis ich alles im Kopf habe, aber wenn es einmal drin ist, kann ich es jederzeit abrufen.

Haben Sie Lampenfieber?

Ich bin vor jeder Aufführung aufgeregt und da ist manchmal die Angst, ob ich das auch alles so hinkriege, wie ich es mir vorstelle. Aber es ist für mich eine freudige Erregung auf das, was nun kommt und die Angst ist eher die, dass es bald wieder vorbei ist, wo ich es doch grad so genieße.

Sie haben oberösterreichische Wurzeln, sind in Wien geboren, leben heute in Hamburg und Wien und sind mit Ihren Programmen auf der ganzen Welt unterwegs. Wo ist Heimat für Sie?

Auch in der Kunst, denn so was wie eine konkrete Heimat habe ich nicht. Ich habe viele Orte, die für mich zur Heimat werden. Das kann ein Theater genauso sein wie ein Museum oder auch eine Gegend, in der mir der Dialekt vertraut ist, so wie etwa in Oberösterreich.

Gibt es etwas, das Sie in Ihrem Leben unbedingt noch machen möchten?

Bauer werden im Innviertel. Das wollte ich schon als Kind. Sich zurückziehen in die Natur, mit Tieren leben, einen Ort finden, der einem noch einmal die Chance gibt, sich ein eigenes kleines Paradies zu schaffen, wo sich Gleichgesinnte einfinden. Wie das „Naturtheater von Oklahoma“ in Kafkas Amerika-Roman.

Was macht Sie glücklich?

Dass ich mein Leben so führen darf. Dass ich nicht morgens in irgendein Büro gehen muss, sondern mich auf eine Bühne stellen und etwas performen darf, das mir selber wahnsinnige Freude macht.

PERSONALAKTE

PHILIPP HOCHMAIR
Geboren: 16.10.1973
Sternzeichen: Waage

Fotos: © Heike Blenk, Ela Angerer

2019-01-29T21:33:18+01:00